Kleine Ursache – große Wirkung

Qualitätsprobleme durch Feuchtigkeit in der Leiterplatte

Teil 1: Feuchtigkeit im Epoxidharz

In dieser und nächster Ausgabe schauen wir uns an welche Auswirkungen die Feuchtigkeit auf den Produktions- und Lagerungsprozess hat und wie dieser Einfluss mittels FT-IR Spektrometrie nachgewiesen werden kann.

Luftfeuchtigkeit ist mehr als nur feuchte Luft. Wassermoleküle interagieren im Herstellungsprozess von Epoxidharzmatrix und Lötstopplack mit reaktiven Komponenten und hemmen so die Reaktionsfreudigkeit. Das Ergebnis ist eine nicht vollständig vernetzte Epoxidharzmatrix oder ein Lötstopplack, der sich nicht effektiv belichten lässt. Der Einfluss der Luftfeuchtigkeit macht sich oft nicht bemerkbar – zumindest nicht bis zum Ausfall der Baugruppe. Dieser Ausfall kann auf unterschiedliche Arten wie z.B. sich durch eine Elektromigration äußern.

Feuchtigkeit bei der Herstellung

Was hat das nun mit dem Einfluss der Feuchtigkeit Im Herstellungsprozess von Epoxidharz zu tun? Schauen wir und dazu an was die Luftfeuchtigkeit im Herstellungsprozess von Epoxidharz anrichten kann. Epoxidharz einer Leiterplatte besteht im Wesentlichen aus einer Polymermatrix und einem Härter. Dazu kommen noch Zusatzstoffe wie z.B. Flammschutz und Verarbeitungshilfsmittel. Letztere regulieren den Härte- oder Vernetzungsprozess und sorgen für definierte Reaktionsbedingungen. Die Härtekomponente (der Vernetzer) ist äußerst reaktionsfreudig und genau das kann problematisch werden, wenn Luftfeuchtigkeit damit reagiert bevor die Polymerkomponente da tun kann.

Feuchtigkeit bei der Lagerung

Epoxid-Polymere, wie auch andere Polymere, nehmen bei Kontakt mit flüssigem oder gasförmigem Wasser die Wassermoleküle auf, die dann in das Polymernetzwerk diffundieren. Kaum jemand weiß es, aber Epoxid-Polymere absorbieren einige Gewichtsprozent Wasser. Die Wasser-Aufnahme ist abhängig von folgenden Parametern:

  • der chemischen Zusammensetzung des Epoxid-Polymers
  • der Grad der Vernetzung
  • freien Volumen
  • der thermischen „Vorgeschichte“ des Polymers, z.B. verursacht durch unterschiedliche Härtungsbedingungen oder (thermische) Alterung

Wenn nun Luftfeuchtigkeit in den PCB Substrat eingelagert wird, geschieht dies auf zwei Wegen. Der erste Weg ist eine physikalische Einlagerung von Wassermolekülen in den Hohlräumen der PCB. Hier handelt es sich um freies Wasser.

Der zweite Weg ist eine chemische Einbindung der eingelagerten Wassermoleküle in die molekulare Struktur der Epoxidharzmatrix. Hier handelt es sich um ein sog. gebundenes Wasser.

In der Praxis wird sowohl freies Wasser, als auch gebundenes Wasser angelagert.

Welche Material-Eigenschaften werden durch Luftfeuchtigkeit in der Leiterplatte beeinflusst?

#1 Viskoelastizität

PCB Substrat hat wie alle Polymere ein viskoelastisches Verhalten. Das bedeutet, dass sowohl viskoses als auch elastisches Verhalten vorliegen. Der elastische Anteil bewirkt grundsätzlich eine spontane, begrenzte, reversible Verformung (vergleichbar mit einer Feder). Der viskose Anteil bewirkt grundsätzlich eine zeitabhängige, unbegrenzte, irreversible Verformung (vergleichbar mit einem Dämpfer). Am besten kann man sich das vorstellen mithilfe von Kelvin und Maxwell-Körpern.

Viskoelastizität: Kelvin Körper und Maxwell Körper

Kelvin-Körper verformt sich zeitabhängig wie eine Flüssigkeit, aber begrenzt und reversibel wie ein Festkörper. Maxwell-Körper: es liegt eine zeitabhängige, unbegrenzte, irreversible Verformung wie bei einer Flüssigkeit vor, allerdings gibt es auch einen zeitunabhängigen und reversiblen spontanelastischen Anteil wie bei einem Festkörper.

#2 Elastizitätsmodul

Der Elastizitätsmodul ist ein Materialkennwert. Er beschreibt den Zusammenhang zwischen mechanischer Spannung und Dehnung bei der Verformung eines festen Körpers bei linear elastischem Verhalten.

  1. Der Elastizitätsmodul ist eine Materialkonstante.
  2. Der Elastizitätsmodul ist nicht konstant.

Er ist abhängig von z. B. Temperatur, Feuchte, Belastungsart und Belastungsgeschwindigkeit.

Luftfeuchtigkeit beeinflusst die Materialeigenschaften in PCB

Freie und gebundene Wassermoleküle im Epoxidharz einer Leiterplatte

Freie Wassermoleküle:

  • stören keine inter- bzw. intramolekularen Wechselwirkungen
  • verursachen keine Plastifizierung oder Quellung des Polymers
  • können durch Trocknung wieder reduziert werden

Gebundenes Wasser:

  • schwächt bzw. stört die intermolekularen Wechselwirkungen zwischen den Polymerketten.
  • fördert die Beweglichkeit der Polymersegmente,
  • Verursacht Veränderung im Epoxid-Polymer z.B. in Form von Quellung und Plastifizierung.
  • bewirkt ein Absinken der Glasübergangstemperatur um 5 bis 30K
  • Bewirkt eine Erniedrigung des E-Moduls um 10 bis 40%

Weder mit optischen noch mit elektrischen Prüfmethoden ist eine Feuchtigkeitseinlagerung detektierbar. Denn die Wassermoleküle sieht man nicht unter dem Mikroskop. Eine elektrische Prüfung wird eine in im Substrat aufgenommene Feuchtigkeit auch nicht erkennen. Um festzustellen ob ein PCB Substrat eine Feuchtigkeitseinlagerung hat und in welchem Maße diese die Qualität beeinflusst ist eine FT-IR Messung eine schnelle und zuverlässige Methode.

FT-IR Spektrum: Feuchtigkeit im Lötstopplack eindeutig sichtbar

Hier sind zwei Messungen einer PCB – mit und ohne Lötstopplack. Das grüne Spektrum zeigt eine Wassereinlagerung (freies Wasser) in der Oberfläche des Lötstopplacks. Das orangefarbene Spektrum (PCB Oberfläche unter den Lötstopplack) zeigt keine Einlagerung der Wassermoleküle. Diese PCB Charge wurde falsch gelagert und nicht ausreichend getrocknet. Die Analyse dauerte inkl. Abtragen des Lötstopplacks 10 – 12 min. Das Resultat ist eindeutig. Analog lassen sich natürlich auch im Polymer gebundenes Wasser oder nicht vernetzter Epoxidharz aufgrund der Feuchtigkeit bei der Herstellung identifizieren. Deshalb bitte frühzeitig identifizieren und rechtzeitig reagieren!